Unterwegs mit dem Wind
von Wolgast auf den Högakull

Weihnachten 2021 wird ein ganz besonderes Fest ...

... oder gab es das alles schon einmal? Vor 2000 Jahren? Aber lesen Sie selbst!


Die Geburt Jesu – unter erschwerten Umständen

Im Jahr 753 nach römischer Zählung,  oder auch dem Jahr 0 nach unserem Kalender, wurde das Römische Reich, nein die gesamte damals bekannte Welt, von einer schrecklichen Pandemie heimgesucht. Immer schlimmer wütete im Laufe des Jahres die Seuche und schließlich beschloss der römische Kaiser Augustus Exvirus, um sich einen Überblick zu verschaffen und die Ausbreitung einzudämmen, dass alle Bürger sich in ihre Heimat begeben und dort verharren sollten.

Auch Josef und seine schwangere Frau Maria machten sich auf den beschwerlichen Weg zurück in ihre Heimat nach Bethlehem. Beschwerlich war der Weg vor allem deshalb, weil der gesamte öffentliche Esel- und Kamelkarawanenverkehr eingestellt war, denn viel zu viele Treiber waren inzwischen erkrankt. Beschwerlich aber auch, weil vor jeder Stadt, vor jedem Dorf, durch das die Wanderer kamen, Angestellte des römischen Reichskrankeninstituts (kurz RKI) mit großen Fieberthermometern und Schnelltestkits lauerten. Erst wenn die Körpertemperatur unbedenklich und der Test negativ war, durften die Reisenden ihren Weg fortsetzen.


Mehrfach dachte Maria daran, wie relativ doch Vieles ist. Wie hatte sie sich über den positiven Schwangerschaftstest gefreut und jetzt? Jeder Negativtest brachte sie ihrem Ziel näher und bewahrte sie vor einem der Quarantänezentren, die sich außerhalb der Städte und Dörfer befanden. 

Nach vielen beschwerlichen Tagesmärschen erreichten Maria und Josef schließlich Bethlehem. Erschöpft von der langen Reise nahmen sie Kurs auf das erste Hostel. Der dortige Wirt riss begeistert die Türe auf und während ihm sein völlig verdreckter Mund-Nasenschutz schlapp unterm Kinn baumelte, schüttelte er dem Josef kräftig die Hand, versuchte Maria zu umarmen und zeigte begeistert in seine Wirtsstube, aus der lautstarkes Gegröle nach draußen drang. „Nur herein, nur herein! Das Haus ist zwar bis unters Dach mit Menschen voll, aber für euch finden wir schon noch ein Plätzchen“, rief er freundlich und schenkte Josef gleich einen Willkommensschnaps in ein sichtlich ungewaschenes Glas ein. „Hier die Desinfektion nach Art des Hauses“, lallte er, bevor er sich selber noch ein Schlückchen der hochprozentigen alkoholischen Gärung genehmigte. Josef war der gemütlich scheinenden Herberge gar nicht abgeneigt und auch den Wirt fand er sofort sympathisch. „Endlich mal keiner dieser Pandemie-Angsthasen“, dachte er, griff nach dem Glas und – wurde von Maria mit einem Ruck auf die Straße gezogen. „Bist du noch bei Sinnen!“, rief sie. „Da drinnen tanzen die Viren doch Polka mit Salmonellen und Bakterienkulturen! Nie werde ich dort übernachten!“ 

Beschämt ob seiner Gedankenlosigkeit folgte Josef kleinlaut seiner Frau zur nächsten Herberge. Dort war man allerdings unter Beachtung der Abstandsregeln mit 7 Gästen auf 50 Betten komplett ausgebucht. Bei den weiteren Unterkünften öffnete man ihnen nicht einmal die Tür, sondern zeigte durch große Schilder weithin sichtbar an, dass hier keine Gäste willkommen waren. Erst ganz am Ende der Stadt wurde ihr Klopfen in einer kleinen Pension erhört. Die Tür öffnete sich und der Wirt- oder war es die Wirtin? – trat mit einem Helm auf dem Kopf und komplett vermummt vor das Haus. „Was wollt ihr?“, murmelte sie oder er durch die dicke Bekleidungsschicht. „Wisst ihr nicht, dass es uns nach dem neuesten Erlass des zuständigen Stadthalters Stringentius Urlaubsschluss verboten ist, auswärtige Gäste unterzubringen, die nicht zuvor mindestens zwei Wochen in der Quarantänestation vor der Stadt verbracht haben?“ Josefs verzweifelter Hinweise auf den angeschlagenen Zustand seiner hochschwangeren Frau, die unzähligen Negativtests, die vorschriftsmäßige Mund-Nasen-Bedeckung in Form eines Beduinentuchs und die kaiserlich verordnete Meldepflicht führten nicht dazu, dass sich die Wirtsperson erbarmte und die Reisenden aufnahm. Zu groß war die Angst vor dem Virus und möglichen Strafen. Ja und als dem sonst sehr geduldigen Josef schließlich der Kragen platzte und er doch etwas lauter wurde, drohte man mit der Polizei, denn schließlich würde er durch sein Gebrüll eine Unmenge an Aerosolen freisetzen und ungefiltert um sich verteilen. Um nicht von Frau und seinem zukünftigen Stammhalter getrennt in einer Zelle untergebracht zu werden, gab Josef schließlich nach und das müde Paar machte sich auf die Suche nach einer alternativen Unterkunft. 

Wie wir alle wissen, landeten Maria und Josef im Stall von Bethlehem, einer kleinen, heimeligen Herberge, die nur von Ochs und Esel bewohnt wurde. Dort war die Stimmung eigentlich gar nicht schlecht, obwohl auch die beiden Tiere durchaus entsprechende virale Schutzvorkehrungen getroffen hatten. So hatte sich der Ochse einen großen Sack mit duftendem Heu vor die Schnauze geschnallt, in den er abwechselnd schnupperte oder aus dem er auch immer mal wieder einen Happen zu sich nahm. Der Esel allerdings hatte aufgrund seiner großen Ohren erhebliche Probleme gehabt, einen handelsüblichen Mund-Nasenschutz vorschriftsmäßig aufzusetzen. Die Bedeckung schwebte zwischen seinen Ohren, wie eine Windel über dem Kopf und verlieh ihm das Aussehen einer freundlichen Hebamme.

„Hier bleiben wir“, ächzte Maria und ließ sich auf eine Haufen Stroh in der Ecke fallen. Und auch Josef wollte keinen Schritt mehr weitergehen. Mit einer großen Dose Desinfektionsspray besprühte er rasch noch alles, was er im Halbdunkel des Stalls als potenzielle Virenträger identifizieren konnte. „Nicht in die Augen!“, rief der Esel und auch der Ochse schnaubte angewidert, als Josef ihm mit der Dose zu nahe rückte. Aber beide Tiere ahnten instinktiv, dass ihnen diese beiden müden Wanderer nichts Böses wollten. Messerscharf hatten sie erkannt, dass die Frau und der Mann ganz bestimmt aus einem Haushalt kamen und somit in ihrem Stall nicht gegen die strenge Regelung des neuesten Erlasses – nicht mehr als 4 Personen aus zwei Haushalten – verstoßen wurde. 

Nach und nach breitete sich wieder eine friedliche Ruhe im Stall aus. Maria schlief, Josef schnarchte unter seinem Mundschutz, der Ochse schnaubte genussvoll in seinen Sack und der Esel wackelte mit den langen Ohren und hielt die Augen offen. Jetzt, während der folgenden Geburt, wollen wir uns aber zwei anderen Schauplätzen zuwenden. Da waren ja noch die Hirten auf dem Felde und schließlich die Heiligen Drei Könige, die den Weihnachtsstern verfolgten. 

Zunächst einmal zu den Hirten: Die lagerten auf den Feldern um die Ecke, und auch wenn es draußen ganz schön kühl war hatten sie beschlossen, die nächste Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Nur hier konnten sie nämlich ihre Hirtenlieder singen und die Schalmei spielen. In geschlossenen Räumen war dies schon lange verboten. „Seht!“, rief plötzlich der wachhabende Oberhirte. „Dort am Himmel erscheint ein Engel!“ „Engel kommen immer als Horde“, zweifelte ein Mithirte. „Einer allein kann nur ein Erzengel sein, oder ein fliegender Bote von Stringentius Urlaubsschluss mit einer neuen Verordnung! Schlafen die vom RKI denn nie?!“ „Nein, das ist kein Bote und für einen Erzengel ist der zu klein“, meinte der Oberhirte. „Aber hört zu. Der Kleine will uns was sagen!“.

Und da hatte der Oberhirte recht. Der kleine, einsame Engel – mehr Engel waren nicht zugelassen, denn noch war nicht klar, wie und auf welchem Wege sich das Virus vielleicht auch unter Engeln verbreiteten würde – räusperte sich. „Ich bin nicht infiziert!“, rief er schnell, als er sah, dass sich die Hirten sofort auf den Boden warfen und ihre Schals notdürftig um Kopf, Mund und Nase schlangen. „Seht, ich verkünde euch in diesen harten Zeiten eine große Freude! Heute ist uns der Heiland geboren! Er liegt in einer Krippe in eurem Stall!“, rief der Engel und – husch war er wieder verschwunden. „Wer liegt mit Grippe im Stall?“, fragte ein alter, etwas schwerhöriger  Hirte vorsichtig. Und auch der Oberhirte musste die Ansage erst noch einmal sacken lassen. Nachdem man den Auftritt aber gründlich durchgesprochen hatte, war man sich auf dem Feld einig, dass man doch zum Stall gehen und nachsehen sollte. Schließlich würden sich Ochs und Esel auch freuen, die Schafe einmal wiederzusehen. So machten sich die Hirten auf und eilten mit ihren Schafen nach Bethlehem. 

Und die Heiligen drei Könige? Die hatten schlicht Pech. Tapfer waren sie dem Weihnachtsstern gefolgt, hatten Wüsten durchritten, Grenzen überschritten und waren schließlich doch mit ihrer Mission kurz vor dem Ziel gescheitert. Ein fremder Herrscher mit Namen Trumpodes hatte einen unüberwindbaren, kilometerlangen Zaun errichten lassen. Dieser versperrte ihnen den Weg und als sie schließlich unter Hinweis auf ihre Königswürde vehement und handgreiflich versuchten, sich Einlass durch das einzige Tor zu erzwingen, wurden sie verhaftet und vor den Thron des Trumpodes gezerrt. Nein, gezerrt wurden nur Melchior und Caspar, während Balthasar aufgrund seiner fahlen Gesichtsfarbe als Überträger des gefährlichen Chinavirus ausgemacht und sofort in Isolationshaft verbracht wurde. Aber auch Melchior und Caspar hatten kein Glück. Statt der erhofften Weiterreise landeten auch sie im Gefängnis. Man warf ihnen vor, illegal Gold, Weihrauch und Myrrhe ins Land geschmuggelt zu haben, um damit den heimischen Markt zu überschwemmen. Die strengen Zollbestimmungen im Lande des Trumpodes verhinderten damit, dass Jesus und die heilige Familie reich beschenkt werden konnten. Obwohl – es waren wilde und wirre Zeiten damals. Und wenn die Quellen nicht lügen, dann soll es den Königen doch gelungen sein, bis zum Stall vorzudringen. Wie und wann, das muss allerdings an anderer Stelle noch genau erforscht werden. 

Der Stall selbst war aber in dieser Nacht ohnehin überfüllt, die zulässige Anzahl der Haushalte und Personen nach dem Eintreffen der Hirten längst übertroffen, auch wenn durch die kräftige Zugluft und das gute Bioklima, das die Tiere verbreiteten, nach unserem heutigen Kenntnisstand niemand infiziert wurde. Die Könige wurden also zunächst nicht vermisst. Höchstens ein bisschen. Vom Weihnachtsstern, der über dem Stall stand und sich fragte, warum er die letzten Wochen mit größter Mühe versucht hatte, die Könige zur Krippe zu lotsen, wenn die dann auf den letzten Metern an einem Zaun scheiterten. Aber zum Aufregen war diese Nacht viel zu besonders. Und so summte der Weihnachtsstern ganz leise „Stille Nacht“, da oben am Himmel. Viele Lichtjahre von der Erde, von Viren und allen menschlichen Problemen entfernt. Und die Hirten im Stall, die summten in Gedanken mit, der Ochse brummt in seinen improvisierten Mundschutz aus Heu und Stroh und auch der Esel ließ zu den leisen Tönen seine langen Ohren kreisen. Nicht zu schnell, um nur ja kein Geräusch zu machen. Und so schlief das Kind in der Krippe und alle Viren, aller Streit, all das Unheil dieser Welt waren in dieser Nacht ganz weit weg. Viel weiter noch als der Weihnachtsstern, der inzwischen bei der dritten Strophe von Stille Nacht angekommen war …


Frohe und gesegnete Weihnachten!