Unterwegs mit dem Wind
von Wolgast auf den Högakull

Bastaremåla Högakull 1:9


 Was für eine eigenwillige Adresse könnte man meinen. Und doch sagt die schon eine Menge über unser wundervolles schwedisches Ferienhäuschen in Småland aus. Bastaremåla heißt die Hofstelle schon seit dem 17. Jahrhundert und das dazugehörige Land erstreckte sich zu dieser Zeit über eine riesige Fläche im Süden von Urshult bis hinab zum Mien. Hier wurde und wird bis heute Waldwirtschaft betrieben. Der Högakull, also der nördlichere Teil der Hofstelle und damit auch die Gegend, in der heute unser Haus steht, wurde erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts bebaut. Zu dieser Zeit begann auch die zunehmende Auf- und Zerteilung des Waldwirtschaftsgebietes.

Im Gegensatz zu den vielen armen smaländischen Kartoffelbauern, die im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert waren und dort blieben, kehrten die Erben der Hofstelle Ende des Jahrhunderts zurück nach Schweden. Warum ist nicht bekannt, aber schließlich wartet hier eine nicht zu verachtende Land- und Forstwirtschaft, die eine Familie mehr als gut ernähren konnte. 

Unser Haus wurde als sogenanntes Mangårdsbyggnad um 1860 errichtet, um 1927 umgebaut und im späten 20. Jahrhundert um einen kleinen Bad- und Toilettenanbau ergänzt. Heute gibt es auf dem Gelände neben dem Haupthaus eine große Scheune, eine Garage, den klassischen schwedischen Holzschuppen, ein kleines Gewächshaus und einen verfallenen Erdkeller. 

1:9 ist noch ein Rätsel? Die Lösung ist ganz einfach: Das ehemals riesige Areal wurde im Laufe der Zeit in viele kleinere Landflächen aufgeteilt, die alle die 1 im Namen tragen und - wie eine Hausnummer - eine zweite Ordnungszahl erhalten haben. Bei uns eben die 9. Übrigens: Von 6,6 ha Wald, die noch in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Haus gehörten, sind nur noch knapp 0,7 vorhanden. Aber knapp 7000m² Steine, Bäume und Wiese reichen auch, zumal der Urlaub ja immer viiiel zu kurz ist!

Nachdem wir das Haus im April 2017 gekauft haben, lag uns vor allem das marode Dach im Magen. Deshalb gab es 2019 ein schönes, neues Blechdach. Der schwedische Dachdecker hat da übrigens seine ganz eigene Methode. Das neue Dach wird einfach über das alte gebaut. Fällt kein Abfall an, aber ob das so richtig ist? Oder hält doppelt dann einfach auch doppelt so gut? Man weiß es nicht. 

Eine neue Hecke haben wir im Frühjahr 2019 auch spendiert, aber die will erst noch eine richtige Hecke werden. Und auch sonst gibt es immer etwas zu bauen, werkeln, streichen oder - und das vor allem - im Garten zu tun. Wie viele Lebewesen das Haus außer uns besiedeln, ist uns nicht bekannt. Neben Fledermäusen, richtigen Mäusen, Hornissen und diversem Kleingetier, das immer mal wieder im Haus auftaucht,  randalieren wahrscheinlich Siebenschläfer oder andere Kleinmarder in den Gängen unterm Dach. Das Haus lebt - und so soll es sein! 

"Und wo ist der typisch schwedische See?", werden jetzt vielleicht einige fragen. Ja, den gibt es, aber eben nicht direkt vor der Haustür. Bis zum Mien sind es ca. 9km. Aber wem der Blick auf einen kleineren, unzugänglichen See reicht, der findet ihn direkt hinterm "Dänen" auf der großen Hunderunde. Auch schön, und wie überall auf dem Högakull seeeehr ruhig, wenn nicht gerade irgendwo wieder Bäume gefällt werden oder die schwedische Armee auf Suche nach U-Booten mit Jets über die einsamen Wälder donnert.

Ach und ohne Dorothee und Renate, unsere lieben Nachbarinnen, die einen guten halben Kilometer entfernt wohnen und unser Haus bei jeder Hunderunde einem prüfenden Blick unterziehen, wäre es dort wirklich nur halb so schön.


2019 ist das "Jahr der Erneuerung": Konrad gräbt im März bei 5°C und Regen die Hecke ein, bevor dann im Mai das neue Reningsverk installiert wird und schließlich im Sommer das Zweitdach Gestalt annimmt!

2020 war es ziemlich ruhig auf dem Högakull. Ausreiseverbote, Einreiseverbote, Quarantäne, Impfungen - wir waren einfach viel zu selten dort. Und 2021? Langsam ging es los und die Grenzöffnungen ließen die ein oder andere Reise im Frühsommer zu. Aufgrund der Ruhe waren sämtliche Nistkästen ausgebucht, und auch sonst hatte die Tierwelt das Grundstück zurückerobert. 

Tja und dann machte sich im Juni unser Immo nach fast zwei Jahren Wartezeit tatsächlich an die arg mitgenommene Wetterseite unserer Fassade. Drei Seiten strahlen nun wieder in aufgefrischtem, wunderschönem Schwedenrot. Wir haben uns dafür die Garage vorgenommen und endlich die fehlende Verschalung vollendet. Dann noch frische Farbe und auch die etwas räudige Garage sieht fast wieder aus wie neu. Nur das Dach müsste mal ausgebessert werden. Na und die 4. Seite des Haupthauses, für die Immos Zeit und unser Budget nicht gereicht haben.

Aber im Herbst gibt es ja vielleicht bei gutem Wetter noch Gelegenheiten, etwas am Haus zu werkeln. Vielleicht haben sich dann auch die Hornissen aus dem Schornstein zurückgezogen, die dort den Sommer verbracht haben. Die ersten eigenen Marmeladen konnten wir in diesem Jahr übrigens auch herstellen. Rhabarber, Stachelbeere und auch die Himbeeren trugen reichlich. 2021 war ein unglaublich ertragreiches Beeren- und Pilzjahr. 

Jetzt hoffen wir, dass die neu gepflanzten Apfelbäume anwachsen damit wir in Zukunft unseren Apfelstrudel aus eigener Ernte herstellen können und nicht die Äpfel vom Baum an der alten Dorfschule räubern müssen. Ein Bratapfel, zubereitet in der neu eingerichteten Feuerstelle, wäre natürlich auch nicht zu verachten.







Silvester 2021. Bei arktischer Kälte sind wir über völlig vereiste Straßen am 29.12. im tiefgefrorenen Haus eingetroffen. Decken und Wände lagen in Falten, die sich erst mit steigenden Temperaturen, für die unser heftig bullernder Ofen sorgte, langsam glätteten. Mann, war das eine Affenkälte! 

Und der strenge Frost fand ein Opfer. Unser romantisches Mäuerchen, das das Grundstück begrenzt und mehr als 100 Jahre Wind und Wetter standgehalten hatte, brach im Frühjahr teilweise zusammen. Reparatur unmöglich, wenn man nicht Goliath heiß und über Riesenkräfte verfügt. Also haben wir das beste aus dem Geröllfeld gemacht, die Steine neu angeordnet und ein kleines Beet in der ehemaligen Mauer angelegt.

Ansonsten standen 2022 einige kleinere Streich- und Sanierungsprojekte an. Der Holzschuppen benötigte teilweise eine neue Fassadenbeplankung und die letzte Hauswand haben wir dann selber gestrichen. Weil noch Zeit war, hat auch das Klohäuschen einen neuen Anstrich erhalten. Ein richtiges Männerprojekt mit Konrad, wie die Farbgestaltung unschwer erkennen lässt ... 

Das wunderschöne Lila findet sich inzwischen übrigens gleich an mehreren Stellen auf unserem Grundstück.

Im Dezember 2022 haben dann leider einer oder mehrere Einbrecher unsere Schuppen, die Garage und den Keller heimgesucht.  Deren Beute bestand lediglich aus einem Satz Gabelschlüssel. Aber kein schönes Gefühl! 

2023 verlief ruhig. Der ein oder andere wundervolle Urlaub und trotzdem auch ein besorgter Blick auf den Wald auf dem Högakull. Der "Wilde Sven" von Bastaremåla Gård hat einen Wendeplatz auf einer Lichtung in der Nähe unseres Hauses angelegt. Und damit ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Wald abgeholzt wird. Also schnell noch die Grenzen sichern und durch taktisches Verschieben der Plastik-Grenzpfähle den ein oder anderen Baum vor dem Kettensägentod bewahren!

Im Oktober gab es dann einen neuen Warmwasserbereiter im Keller. Der war überfällig. 

Und dann ist es passiert. Der ganze Wald war weg, als wir im Februar 2024 beim Haus ankamen. Doch oh Wunder: Mehr Licht, Weite und - es sah gar nicht so schlimm aus. Das lag allerdings auch daran, dass unsere Schutzmaßnahmen gegriffen haben, oder der Wilde Sven Gnade gezeigt hat. Ein Saum von Bäumen rund um unser Grundstück blieb stehen. Die rührt außer uns niemand mehr an!

Und immer wieder gibt es etwas zu tun. Leider war der Anstrich an der Straßenseite schon nach drei Jahren nicht mehr so richtig schön. Da musste der Meister dann mal wieder selbst Hand anlegen.

Die Arbeit unter schwierigen Verhältnissen auf dem Dach wurde dann der jüngeren Generation überlassen. Sogar der Schornstein hat Farbe abbekommen und ist jetzt wieder (fast) komplett schwarz. Nicht ganz einfach, wenn sich Hornissen in einem der vier Züge eingerichtet haben und jede Störung ablehnen.

Nach dem Ausfall unserer Satellitenschüssel am Haus aufgrund der zu hohen Bäume rund herum, musste eine Ersatzlösung her. Der Hochsitzbausatz wurde aus Deutschland mitgebracht, montiert und auf dem großen Feld aufgestellt. Zugegeben: 45 Meter Kabel mussten erst verlegt werden, aber jetzt läuft das TV-Gerät wieder!

Seit Advent 2024 ist auch für eine Stimmungsvolle Weihnachtszeit gesorgt. Immer vorausgesetzt, es fällt auch Schnee.

Und gleich nach Weihnachten hat sich unser fleißiger Immo an Bad und Wasserversorgung gemacht. Da trauten wir uns tatsächlich nicht ran, denn es ging nicht nur um Kosmetik.

Nur die Ablagen, den Spültisch und die Spiegelkonstruktion sind Marke Eigenbau. 

Das war alles nicht preiswert. Teurer als das Dach. Aber eine wirklich gute Investition, finden wir. Und sooo schön!



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